Von Henrike Hein, 12. März 2023
Jede dritte Frau in Deutschland wird voraussichtlich nach 40 Jahren Vollzeitarbeit eine Rente von weniger als 1.000 Euro netto zur Verfügung haben.
Das teilte Anfang des Jahres das Bundesarbeitsministerium auf Anfrage der Partei Die Linke mit. Demnach sind rund 2,7 Millionen Frauen von potenzieller Altersarmut betroffen. Die Gründe dafür sind, dass Frauen bei gleicher Qualifikation zum einen immer noch weniger verdienen als Männer: Ende Januar veröffentlichte das Statistische Bundesamt die Zahlen zur Gender Pay Gap 2022. Heraus kam, dass Frauen in Deutschland durchschnittlich 18 % weniger pro Stunde verdient haben als Männer. Teilweise liegt das daran, dass Frauen immer noch häufiger in geringer bezahlten Berufen tätig sind. Aber auch der bereinigte gender pay gap, d.h. der Vergleich von Löhnen von Frauen und Männern mit vergleichbaren Qualifikationen, Tätigkeiten und Erwerbsbiografien, liegt bei 7 %. Ein weiterer Grund sind sog. Lücken in der Erwerbstätigkeit, die durch bspw. Schwangerschaft und Betreuungsarbeit (die leider immer noch traditionell von Frauen erledigt wird) entstehen. Diese Zeiten werden nach wie vor nicht adäquat bei der Rentenvorsorge mit einberechnet. Die hohe Inflation trägt dann noch zusätzlich dazu bei, dass sich die Aussichten auf genügend Geld im Alter für Frauen eintrüben.
Die Antwort lautet: investieren! Obwohl die Zinsen derzeit nicht mehr negativ sind, reichen sie bei Weitem nicht aus, um das Vermögen zu schützen. Die Inflationsrate lag im Januar 2023 bei 8,7 %, der Leitzins im Februar bei 3,0 %. Daraus ergeben sich immer noch 5,7 %, um die sich das Vermögen verringert - zwar nicht in absoluten Zahlen, aber im Wert. Um einem Abschmelzen des eigenen Vermögens entgegenzuwirken, werden Geldanlagen benötigt, die zumindest langfristig mit der Inflationsrate mithalten können. Verzinste Spareinlagen fallen da also schon mal weg. Investitionen am Kapitalmarkt sind nach wie vor attraktiv: Anlagen in Fonds oder Aktien sind die Anlagen mit den höchsten Renditechancen. Natürlich sind diese Anlagen hohen Schwankungen unterworfen und können auch hohe Verluste bedeuten. Um das Risiko zu minimieren, ist es wichtig langfristig zu investieren und Phasen mit niedrigen Kursen abzuwarten. Um das wiederum tun zu können, sollte Geld investiert werden, das entbehrlich ist und bspw. erst im Alter benötigt wird. Wenn die Lösung so einfach ist, stellt sich die Frage:
Eine repräsentative Studie der Marktforschungsgesellschaft Puls im Auftrag einer Privatbank hat gezeigt, dass jede zweite Frau derzeit gar kein Geld anlegt. Gründe dafür sind die Angst vor Verlusten und die Scheu vor Anlagethemen. Zusätzlich schätzen Frauen ihr Finanzwissen deutlich schlechter ein als männliche Befragte. Das scheint auch die Erklärung dafür zu sein, dass gerade einmal 22 % der befragten Frauen, die ihr Geld überhaupt anlegen, in Aktien investieren. Der Anteil der Fondsparerinnen liegt immerhin bei 42%. Insgesamt wurde herausgefunden, dass Frauen doppelt so oft finanziell von ihrem Partner abhängig sind als andersherum. All das führt dazu, dass der Aktienmarkt eher männlich dominiert ist. Er ist somit nicht divers genug, um die Interessen der Gesellschaft abzubilden.
Durch Investitionen werden Unternehmen finanziell unterstützt. Sie können expandieren, gewinnen an Macht und an Einfluss. Es lohnt sich deshalb gut zu überlegen, welchen Unternehmen dieser Einfluss übertragen werden soll. Sind wir mit dem Geschäftsmodell und auch den Geschäftspraktiken einverstanden? Nicht außer Acht zu lassen ist außerdem das Stimmrecht der Anleger:innen, die wichtige Entscheidungen im Unternehmen direkt beeinflussen können. Nicht alle Investitionen, die eine gute Rendite versprechen, sind auch für die Gesellschaft wertvoll. Beispiele dafür sind Waffenhersteller oder Öl- und Gasunternehmen. In einer repräsentativen Forsa-Studie zum deutschen Investitionsverhalten hat sich ergeben, dass Frauen nachhaltige bzw. sozial ausgerichtete Geldanlagen bevorzugen. Sie haben den Anspruch, mit ihrer Geldanlage etwas Gutes zu tun und sehen dies als Möglichkeit, Verantwortung für die Gesellschaft zu übernehmen. Wären mehr Frauen am Finanzmarkt vertreten, könnte das eine positive Auswirkung auf die Nachfrage insbesondere nachhaltiger Geldanlagen haben. Was wiederum eine nachhaltige Entwicklung vorantreiben würde und somit einen gesamtgesellschaftlichen Nutzen hätte. Investitionen von Frauen am Kapitalmarkt lohnen sich also nicht nur für ihre eigene Absicherung, sondern für uns alle!